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Aus der Humanmedizin hinreichend bekannt, wird
auch in der Veterinärmedizin die Elektrotherapie erfolgreich
eingesetzt. Dennoch kann man den Vergleich
Mensch – Pferd nicht uneingeschränkt vollziehen, da
die Empfi ndungen doch recht unterschiedlich sind. Des
Weiteren muss man zwischen den einzelnen Stromformen
differenzieren.
So manche Pferdebesitzer sehen die Elektrotherapie für das Pferd
recht skeptisch, hat doch Strom immer etwas Gefährliches an sich.
Doch Strom ist nicht gleich Strom, denn es gibt unterschiedliche
Stromformen in verschiedenen Frequenzen, die auch unterschiedliche
Wirkungen haben. So kennt man Gleichstrom, Wechselstrom und Impulsströme
und diese in niederen, mittleren und hohen Frequenzen. In der
Therapie werden insbesondere nieder- und mittelfrequente Stromformen
eingesetzt.
Verschiedene Stromformen
Bei den Stromformen kommen Gleich- und Wechselströme kaum zum Einsatz,
als einzige Indikation nutzt man den Gleichstrom für die Iontophorese.
Darunter versteht man das Einschleusen von Wirkstoffen wie Salben
oder Gels mit zu Hilfenahme von elektrischen Strömen in den Körper. Da
jeder Wirkstoff eine bestimmte elektrische Ladung hat, kann man diesen
unter dem entsprechenden Pol der Elektrode schneller und effektiver ins
Gewebe einbringen. Die Gleichstrombehandlung birgt allerdings einige
Risiken, so dass es sinnvoller ist, die Iontophorese mittels mittelfrequenten
Strömen durchzuführen, was mittlerweile technisch ebenfalls möglich
ist.
In der Regel kommt in der Elektrotherapie der Impulsstrom zum Einsatz.
Hier fließt kein konstanter Strom, sonderen Einzelimpulse. Für die verschiedenen
Indikationen werden verschiedene Impulsfolgen verwendet.
Dabei lösen die Impulse an bestimmten Membranen im Verlauf von Nervenbahnen
Reize aus.
Die Anzahl der Impulse pro Sekunde wird Frequenz genannt. Sie wird in
der Einheit „Hertz“ (Hz) angegeben. Von eine niederen Frequenz spricht
man bei 1 bis 100 Hz. Mittelfrequente Ströme gehen von 100 bis 2500 Hz.
Bei höheren Hertzzahlen spricht man von hochfrequenten Strömen.
Bei niederfrequenten Strömen (1-100 Hz) ist der Körper noch in der Lage,
auf die relativ langsame Impulsfolge zu reagieren. Die Schnelligkeit der
Impulse ist für den therapeutischen Einsatz entscheidend. Bei Impulsen
von 1 bis 10 Hertz werden einzelne Muskelkontraktionen ausgelöst. Bei
10 bis 50 Hertz erreicht man eine Steigerung der Erregbarkeit, insbesondere
kann der Kreislauf angeregt werden. Bei 80 bis 100 Hertz kommt es
hingegen zu einer Dämpfung der Erregbarkeit sowie zu einer Schmerzreduktion.
Insbesondere wird die analgetische Wirkung als Hauptindikation
der Elektrotherapie angegeben. Die Problematik beim Einsatz von niederfrequenten
Strömen, wozu das bekannte TENS (Transkutane Elektrische
Nervenstimulation – eine Form der NMES = Neuromuskulätre Elektrische
Stimularion) gehört, besteht darin, dass je nach Dosierung ein unangenehmes
Stromgefühl auftreten kann. Dieses Stromgefühl kann sich bis
zu einem starken Brennen (und Verbrennen der Haut) steigern. Die Dosis
kann der Mensch über sein Empfinden exakt steuern, dies ist jedoch
beim Pferd aufgrund seiner „ungenauen Rückmeldung“ nicht möglich.
Die Gefahr von Verbrennungen und Schmerzen sind bei dieser Stromform
also durchaus gegeben. Aus diesem Grund sollten niederfrequente Stromformen
(TENS) in der Pferdetherapie nach Möglichkeit nicht zum Einsatz
kommen.
Besser für die Pferdetherapie: Mittelfrequente Stromformen
Bei mittelfrequenten Stromformen (100 bis 100000 Hz) wird das unangenehme
Stromgefühl aufgrund der wesentlich schnelleren Impulsfolge auf
ein Minimum reduziert. Deshalb ist diese Art der Elektrotherapie für Tiere
– und insbesondere für die sehr empfindsamen Pferde – hervorragend geeignet.
Die Akzeptanz bei Pferden ist sehr gut, während beim Einsatz von
TENS-Geräten die Akzeptanz sehr stark vom Typ des Pferdes und dessen
Empfindlichkeit abhängig ist.
Der Strom dringt beim Einsatz von mittelfrequenten Strömen tief ins Gewebe
ein, wogegen niederfrequente Ströme an der Oberfläche bleiben.
Für therapeutische Zwecke lassen sich aber auch Trägerfrequenzen von
3000 bis 10000 Hz wieder in niederfrequente Ströme umwandeln. Damit
lassen sich die therapeutischen Wirkungen von nieder- und mittelfrequenten
Stromformen kombinieren. Während sich Niederfrequenzströme
hauptsächlich für die Behandlung von Nervenfasern eignen, setzt man
Mittelfrequenzströme insbesondere für die Muskulatur ein.
Hochfrequenzströme werden therapeutisch normalerweise nicht eingesetzt,
genau genommen handelt es sich hierbei um Wärmetherapie. Mit
Frequenzen über 100000 Hz beschränkt sich die Wirkung auf die Erwärmung
des Gewebes. Ein Beispiel ist die in jedem Haushalt gebräuchliche
Mikrowelle. Obwohl die hohen Frequenzen ohne störende Reizungen angewendet
werden können, die Wärme dabei tief ins Gewebe eindringt
und somit anderen Wärmetherapien wie die „Heiße Rolle“ oder anderweitigen
Wärmeapplikationen stark überlegen ist, kommt die Hochfrequenztherapie
in der Regel nicht zum Einsatz.
Wie bereits erwähnt, wird die Elektrotherapie insbesondere zur Schmerztherapie
eingesetzt. Zurückzuführen ist die schmerzstillende Wirkung insbesondere
auf die Entspannung der Muskulatur, der verbesserten Durchblutung
und der Freisetzung von körpereigenen Endorphinen. Diskutiert
wird auch der so genannte „Gate-Control-Mechanismus“. Die Theorie
besagt, dass durch die Einwirkung des Stroms körpereigene schmerzhemmende
Nervenfasern aktiviert werden. Das Gate wirkt dabei als Eingangskontrollsystem
für dort eintreffende Schmerzinformationen aus der
Peripherie.
Zusammengefasst wirkt die Elektrotherapie über die Motorik (je nach
Frequenz kommt es zu Einzelzuckungen, tetanischen Kontraktionen der
Muskulatur oder Muskelwogen), über die Hyperämie (durch Muskelarbeit
und Freisetzung von vasoaktiven Stoffen) und über die Analgesie (durch
Detonisierung verspannter Muskulatur, Verbesserung der Durchblutung,
Freisetzunge körpereigener Endorphine und Aktivierung des Gate-Control-
Systems).
Indikationen
Die Elektrotherapie wird demnach insbesondere zur Schmerztherapie eingesetzt
(vor allem bei Arthrosen, Spondylosen und nach Operationen), zur
schnelleren Frakturheilung, zur Nervenregeneration, bei Verspannungen,
zur Prävention von Muskelatrophien und zur Unterstützung beim Muskelaufbau.
Dabei muss aber festgestellt werden, dass die Atrophie von
nicht benutzter Muskulatur mittels Elektrotherapie lediglich verzögert
werden kann. Der Aufbau der Muskulatur hingegen kann nur unterstützt
werden und nicht allein durch Elektrotherapie bewerkstelligt werden
kann. Ein Aufbau der Muskulatur findet nach wie vor primär über die Bewegung
und Eigenkontraktion des Muskels statt.
Zu den Kontraindikationen der Elektrotherapie gehören anästhesierte
Hautbezirke, akute Entzündungen im Behandlungsbereich, Tumore und
Infektionskrankheiten.
Der Therapeut kann die Elektroden an verschiedenen Stellen ansetzen
– je nach Läsion und Therapieart. So kommen lokale Areale in Frage, wobei
die Elektroden direkt auf das schmerzhafte Areal aufgebracht werden.
Möglich sind dabei Quer- und Längsdurchflutungen des Schmerzgebietes.
Eine andere Möglichkeit ist das Anbringen der Elektroden im Nervenverlauf,
aber auch segmental, also am Bereich der Nervenwurzeln des entsprechenden
Wirbelsäulensegements und über dem Areal der nervalen
Versorgung. Speziell für die Behandlung der Muskulatur setzt man die
Elektroden am motorischen Punkt (Muskelbauch) und am Muskelansatz
an.
Ein umsichtiger Therapeut regelt das Elektrogerät langsam hoch, bis das
Pferd anzeigt, dass es etwas spürt. Das Pferd kann die Stromempfindung
durch Heben des Kopfes oder Beines, Muskelzucken, Ohrenspiel oder Zurückblicken
auf das entsprechend angesteuerte Areal anzeigen. Sobald
ein Muskelzucken sichtbar wird, regelt der Therapeut das Gerät herunter,
dass gerade keine Muskelzuckungen mehr sichtbar sind. Sind Zuckungen
der Muskulatur sichtbar, ist die Intensität zu hoch eingestellt.
Zur besseren Leitfähigkeit werden die Elektroden mit einem speziellen
Elektrodengel bestrichen. Gerade bei Pferden mit langem (Winter-)Fell ist
ein gutes Befeuchten und Einreiben mit Elektrodengel wichtig, um einen
guten Stromkontakt zu gewährleisten.
Die meisten Pferde genießen die Strombehandlung sichtlich, wenn sie
richtig durchgeführt wird. Sie kann die manuelle Therapie von Physiotherapeuten
und Osteopathen somit sehr gut unterstützen.
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