Sie
nennen sich Pferdesporttherapeutin. Was genau bedeutet das und was macht Ihre
Tätigkeit aus?
Karin Link: Ich bin sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg Pferdesporttherapeutin
geworden: Zuvor war ich einer Bürotätigkeit nachgegangen und bin durch die Teilnahme
an einem Seminar von Michael Baxter „infiziert“ worden von seiner Art mit den
Pferden umzugehen und wie die Pferde darauf reagiert haben. Ich habe dann an seiner
„International Academy of Equine Sports Therapy“ eine private Ausbildung über
ein Jahr in Wochenendseminaren absolviert und arbeite seit 1998 mit ihm zusammen,
seit 2001 von Warendorf aus. Die Academy ist inzwischen eingestellt worden. Bei
der Pferdesporttherapie geht es mir vor allem um die Prävention und die Vorbereitung
von Pferden auf ihren Einsatz im Sport. Wichtig ist mir die Einbeziehung von Pferd
und Reiter, deshalb gebe ich auch Seminare zum Thema Sitzschulung gemeinsam mit
Eckard Meyners oder Susanne von Dietze.
Ist es ein Unterschied, ob Sie mit Pferden aus der Warmblut- oder Westernpferdezucht
arbeiten? Nein,
grundsätzlich ist erst einmal Pferd gleich Pferd. Bei allen Pferden kommt es in
der Vorbereitung auf ihren Sporteinsatz darauf an, dass die körperliche Entwicklung
der jungen Pferde während des Trainings berücksichtigt wird und sie gesund erhalten
werden. Damit meine ich vor allem den Aufbau der Knochendichte, der ungefähr ein
halbes Jahr dauert, die Beweglichkeit der Gelenke und den Aufbau von Muskelkraft
im Zusammenspiel aller Muskeln. Das erreicht man – egal in welcher Reitweise –
nur durch konsequente, geduldige Aufbauarbeit der Pferde über ungefähr ein Jahr.
Welche Übungen kann
man im täglichen Training dafür einsetzen? Auf
jeden Fall sollte man das Training abwechslungsreich gestalten. Beispielsweise
kann man nach einer längeren Schrittphase in den Galopp übergehen, dabei atmet
das Pferd anders als im Trab. Die Galopparbeit fördert die Ausdauer des Pferdes.
Längere Galoppphasen von 15 Minuten kann man jeden zweiten Tag einplanen, von
30 Minuten jeden dritten Tag. Übergänge
vom Schritt zum Trab und wieder zum Schritt sind gut für die Reaktionsfähigkeit
des Pferdes, für seine Bewegungskoordination, die Rückentätigkeit und die Kraftentwicklung.
Um das Pferd gerade zu richten sollte man viel auf dem zweiten Hufschlag reiten.
Hilfreich sind auch gebogene Linien in Innen- und Außenstellung mit häufi gen
Richtungswechseln mit Schulterkontrolle, zum Beispiel auf einer Acht. Eine schöne
Übung für die Koordination ist auch das Übertretenlassen auf gebogenen Linien
mit deutlichem Abfußen, am besten im Schritt geritten. Das gilt natürlich alles
für gesunde, im normalen Training stehende Pferde. Wenn
man alles richtig macht in der Ausbildung, braucht man dann überhaupt einen Therapeuten
für sein Pferd? Ich
meine ja, denn vor allem die Warmblutpferdezucht bringt immer weichere Pferde
hervor. Und Pferde, die für den Spitzensport geeignet sind, werden immer sensibler,
d.h. aber auch, dass sie auch empfi ndlicher werden für kleinste Störungen. Deshalb
sollte man nicht nur gut reiten, sondern auch durch die Therapie versuchen, Blockaden
aufzuspüren und sie zu lösen. Gute
Basisarbeit reicht für Pleasure und Trail, bei den extremen Bewegungen, die in
Reining, Cutting und Cow Horse gefordert werden, meine ich, dass eine Unterstützung
durch eine Therapie sinnvoll ist. Auf jeden Fall ist es sehr wichtig, dass die
Basisarbeit stimmt und man nicht zu früh mit den Manövern beginnt – sie schaden
dem untrainierten Pferd. Wie
gehen Sie bei Ihrer Therapie vor? Ich
betrachte auf jeden Fall zunächst immer das ganze Pferd und beginne erst dann
mit der gezielten Behandlung. Alles immer in enger Zusammenarbeit mit dem Pfl
eger, dem Reiter und gegebenenfalls mit dem Tierarzt. Es
gibt verschiedene Techniken, um die Muskulatur zu lösen. Wenn ein Muskel verkürzt
ist, muss zunächst die Verspannung herausgenommen werden, damit er dehnungsfähig
wird. Dazu muss das Pferd auch vom Geist her entspannen. Wir nutzen dazu die sogenannte
„C7- Technik“ an den Entspannungspunkten. Dann gibt es verschiedene Mobilisationsübungen,
um zum Beispiel den Rücken oder die Gliedmaßen und Gelenke zu mobilisieren. Eine
Behandlung dauert ungefähr zwischen 45 und 90 Minuten und kann bis zu 250 Euro
kosten (Anm. d. Red.: Es gibt keine Gebührenordnung für diese Art der Therapie).
Gibt es Besonderheiten
im Training von Westernpferden, die im Leistungssport gehen?
Ja, durch bestimmte Manöver können verschiedene Körperpartien der Pferde besonders
beansprucht werden. Zum Beispiel müssen die Pferde für den Sliding Stopp besonders
stark im Rücken sein. Eine gute Basisarbeit ist hierfür unheimlich wichtig, denn
für die Lektion muss der gesamte Rumpf des Pferdes arbeiten, die Muskulatur muss
die Beine stärken, sonst machen die Pferde im Widerrist zu, die Vorderbeine bleiben
stecken, und es kann zu Sehnenproblemen bis hin zu Arthrose durch Fehl- und Überbelastung
vor allem an den Vorderbeinen kommen. Wenn man die jungen Pferde nicht genügend
durch Konditions- und Krafttraining auf diese Übung vorbereitet, kann sie auch
zu starken Schmerzen im Rücken führen, weil das Kreuzbein erst komplett im Alter
von vier bis fünf Jahren verknöchert. Belastet man das junge Pferd ohne zuvor
die Muskulatur genügend zu stärken, kann die extreme Bewegung des Stopps zu Schäden
auch in anderen Bereichen des Rückens führen. Beim
Spin sind Schnellkraft und Geraderichtung des Pferdes vonnöten. Die extreme Rotation
im inneren Hinterbein kann ohne genügende Vorbereitung der tragenden Rumpfmuskulatur
(Rücken- und Bauchmuskeln) zu bleibenden Schäden führen. Die Bauchmuskulatur des
Pferdes kann man zum Beispiel durch Übungen wie Rückwärtsrichten - Halten - Antraben
oder Galoppieren auf dem dritten Hufschlag - Halten - Wenden zur Bande hin - daraus
zügig neu Angaloppieren trainieren..
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