Teilnehmer diskutierten Richtlinien und Regelwerke
Warendorf
(fn-press). Gemeinsamen Sachstand herstellen als Grundlage für
gemeinsames Handeln – mit diesem Ziel trafen sich rund 130
Vertreter der Landespferdesport-, Zucht- und Anschlussverbände
Anfang der Woche zu einer zweitägigen Tierschutztagung. Dazu
hatte die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) nach Warendorf
eingeladen.
Eine zentrale Erkenntnis war, dass der Verband mit der Reitlehre
und seinen Werken für die Ausbildung von Reitern, Fahrern,
Voltigierern, Züchtern und Pferdehaltern in Sachen Tierschutz
gut aufgestellt ist. Ob die Richtlinien für Reiten und Fahren,
die Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes oder die Regelwerke
für den Turniersport, die Ausbildung und die Zucht - die
sportlich faire Haltung gegenüber dem Partner Pferd, sein
physisches und psychisches Wohlergehen und somit der Tierschutz
ist in allen Werken fest verankert. „Die Tagung hat aber
auch gezeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht immer übereinstimmen
und es manchmal auch an der Akzeptanz unserer eigenen Regeln mangelt“,
sagte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach. „Wir müssen
aber den Mut haben, genau hinzuschauen und Missstände offen
anzusprechen, denn wir sind die Vorbilder, wenn es um die Umsetzung
unserer Reitlehre und die richtlinienkonforme Pferdehaltung geht.“
Den gesellschaftlichen Hintergrund zum Thema Tierschutz lieferte
Dr. Peter Kunzmann, Professor für angewandte Ethik in der
Tiermedizin an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover.
„Das Thema Tier unterliegt einem kolossalen Wandel in der
Gesellschaft“, berichtete er. Das Verhältnis zum Tier
ist heute von hoher Emotionalität geprägt. „Es
gibt gute Gründe, Tieren einen hohen moralischen Stellenwert
einzuräumen.“
Eine Entwicklung, die keine „vorüberziehende Wolke“
ist, sondern eine gesellschaftliche Haltung, die von erhöhten
Anforderungen an den Tierschutz bis hin zur Ablehnung von Tiernutzung
reicht – eine Position, die von Tierrechtlern vertreten
wird. „Tierschutz setzt Nutzung von Tieren voraus“,
sagte Kunzmann. Allerdings mit dem Anspruch, übermäßige
oder nicht zu rechtfertigende Belastungen zu verhindern, denn
Pferde haben Bedürfnisse und erleben damit auch Emotionen
wie Angst, Schmerz und Mangel.
„Alle, die heute mit Tieren agieren, können sich schlechten
Umgang nicht leisten. Die Gesellschaft akzeptiert Tierschutzvergehen
nicht. Halten Sie Ihre Weste sauber. Ahnden Sie schwarze Schafe
konsequent. Man wird sie dafür nicht loben, wenn Sie es tun,
aber Sie haben einen ganz schlechten Stand, wenn Sie es nicht
tun“, machte der Tierethiker die Konsequenzen klar.
„Ich bin positiv überrascht, wie gut die Tagung besucht
ist. Die Tagung ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Zeigt
sie doch, dass der Verband sich offensiv mit dem Thema Tierschutz
auseinandersetzt und dass auch der Bedarf da ist“, sagte
Dr. Esther Müller, Vertreterin des Deutschen Tierschutzbundes
im FN-Fachbeirat Tierschutz.
Wie sich das konkret im Tierschutzgesetz widerspiegelt, erläuterte
Dr. Nicole Schertl als Vertreterin des Referats Tierschutz im
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMEL). Sie zeigte die bestehenden rechtlichen
Rahmenbedingungen auf. „Das Tierschutzgesetz schützt
das Leben und Wohlbefinden der Pferde. Der Mensch muss aber für
angemessene Ernährung, Unterbringung, Pflege und Bewegung
sorgen. Dies erfordert eine hohe Kompetenz und Sachkenntnis“,
sagte sie.
Auf dem Tierschutzgesetz
beruhen zum einen die Leitlinien Tierschutz im Pferdesport, die
1992 niedergeschrieben und vom BMEL herausgegeben wurden. Erarbeitet
hat sie die Gruppe Tierschutz und Pferdesport. Zum anderen aber
auch die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten,
die von der Sachverständigengruppe tierschutzgerechte Pferdehaltung
verfasst wurden. Die jeweiligen Arbeitsgruppen bestanden aus Vertretern
von Ministerien, Veterinär-, Pferdesport- und Tierschutzverbänden.
„Die Leitlinien zur Pferdehaltung gibt es seit 20 Jahren,
weil man schon damals den Bedarf erkannt hat, gemeinsam einen
Maßstab für die Haltung und Nutzung von Pferden zu
erarbeiten“, sagte Dr. Christiane Müller, Mitglied
im FN-Präsidium und dort zuständig für das Thema
Tierschutz. „Mit den Leitlinien können wir zeigen,
dass wir Pferdefreunde sind und das Wissen und die Expertise haben.
Durch deren Einhaltung sollten wir dafür Sorge tragen, dass
wir der Öffentlichkeit keine Angriffsfläche bieten.“
Über die Folgen
mangelhafter Pferdehaltung berichtete Dr. Margit Zeitler-Feicht,
Dozentin unter anderem für Tierschutz und Tierhaltung am
Wissenschaftszentrum Weihenstephan und der TU München, wo
sie über Tiergerechtheit von Haltungssystemen forscht. So
können zu geringe Raufuttergaben beispielsweise Ursache für
angenagte Boxenwände sein. „Die Aufgabe der Leitlinien
ist es, die Umsetzung des Tierschutzgesetzes zu unterstützen“,
sagte Dr. Zeitler-Feicht. „Die Leitlinien sind nicht rechtsverbindlich,
haben vor Gericht aber einen hohen Stellenwert und werden im Zweifelsfall
auch von Gutachtern herangezogen.“
Die Tagungs-Teilnehmer
waren sich darüber einig, dass verbandsintern und nach außen
hin über die geltenden Richt- und Leitlinien intensiver informiert
werden muss. „Wir wollten mit dieser Tagung Wissen schaffen
und die Sensibilität für das Thema Tierschutz erhöhen“,
sagte Soenke Lauterbach. Der nächste Schritt sei nun die
Verarbeitung der Erkenntnisse. „Die Tagung war richtig.
Es wurde zwei Tage lang sachlich und offen diskutiert. Der mehrheitliche
Wunsch der Teilnehmer ist, diese Veranstaltung 2016 zu wiederholen.
Jetzt müssen wir die genannten Dinge aber auch angehen und
umsetzen, auf Experten zugehen und die Erkenntnisse in unsere
Arbeitsgruppen und Gremien einbinden.“