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Ein aktuelles Thema ist derzeit die Frage nach der Kopfbedeckung
von jugendlichen Reitern auf Turnieren der EWU: Auf der Länderratssitzung
fi el kürzlich der Vorschlag, das Tragen eines Reithelmes
auf EWU-Turnieren für Jugendliche zur Vorschrift zu machen.
Das Thema wurde intensiv diskutiert; zwei Meinungslager
zeichneten sich dabei ab: Die eine
Seite unterstützt den Vorschlag und könnte sich
eine Reithelmpfl icht auf EWU-Turnieren vorstellen.
Die andere Seite möchte das Tragen eines
Helmes nicht zur Pfl icht machen und damit den
Status Quo beibehalten.
Seit langem schon ist das Tragen eines Helmes
erlaubt; wer das tun möchte, kann es selbstverständlich
so machen – auch in einer Prüfung.
Dazu einige Fakten:
Der Reitsport zählt zu den fünf verletzungsreichsten
Sportarten. Diese Liste führt seit Jahren
der Fußballsport bei weitem an.
Es reiten ca. 1,2 Millionen Menschen in
Deutschland; dabei zählen die Versicherungen
pro Jahr zwischen 30.000 und 40.000 Unfälle,
die ärztlich behandelt werden müssen. Mehr als
die Hälfte aller „Reitunfälle“ passieren am Boden,
nämlich beim Führen, Putzen und Versorgen
der Pferde. Bei immerhin 40 % aller Unfälle
mit Pferden sind Mädchen unter 14 Jahren betroffen
– also in der Regel Kinder, die mit dem
Reiten beginnen.
Leider gibt es keine Statistiken für das Westernreiten.
Meine Recherche hat jedoch ergeben,
dass sich die häufi gsten Reitunfälle beim Springen
ereignen. Bei den Kopfverletzungen kommt
es in 50% der Fällen zu Gehirnerschütterungen
und immerhin in 10 % der Fälle zu schweren
Verletzungen mit Folgeschäden; solche Verletzungen
können durch einen modernen und gut
sitzenden Reithelm nach Din-Norm häufi g abgemildert
oder vermieden werden.
Jeder sollte sich im Klaren sein, welche Konsequenzen
es haben kann, wenn man ohne Helm
reitet. Dazu habe ich die großen deutschen Versicherungen
angeschrieben und sie befragt, wie
sie zu der Sache stehen. Wie Versicherungen so
sind – so richtig festlegen wollte sich niemand.
Hier das Ergebnis:
Unfallversicherung:
Erleidet ein Reiter anlässlich der Ausübung seines
Sports einen Unfall, dessen Ursache im eigenen
oder aber im tierischen Verhalten seines
Pferdes liegt, so können die Folgen evtl. durch
eine bestehende Unfallversicherung abgesichert
sein. Der Versicherungsschutz in der Unfallversicherung
ist nicht eingeschränkt, wenn der Versicherungsnehmer
bei einem Reitunfall keine
Reitkappe getragen hat.
Haftpflichtversicherung:
Die Haftpfl ichtversicherung eines Pferdehalters
ist immer dann angesprochen, wenn ein Dritter
(z.B. Fremdreiter) durch das willkürliche, tierische
Verhalten des Pferdes (Buckeln, Scheuen,
Treten, Durchgehen etc.) Schaden erleidet. Das
Nichttragen einer Reitkappe als Kopfschutz
führt nach den meisten Versicherungsbedingungen
für die Haftpfl ichtversicherung nicht zum
Verlust des Versicherungsschutzes. (Man sollte
also bei der eigenen Versicherung nachfragen
wie das dort gesehen wird.)
Das Bestehen einer Haftpfl ichtversicherung
ohne Einschränkungen beim Thema „Reitkappe“
bedeutet aber nicht automatisch, dass dem
Verletzten ein uneingeschränkter Schadensersatzanspruch
gegen den Halter des verursachenden
Pferdes zusteht.
Reitkappen sind geeignet, Kopfverletzungen zu
vermeiden. Bei der Beurteilung von geltend gemachten
Schadensersatzansprüchen weisen die
Gerichte stets darauf hin, dass sich der Verletzte
(s)eine eigene Mitverantwortung anrechnen
lassen muss, für den Fall, dass das Nichttragen
einer Reitkappe mitursächlich für seine Kopfverletzung
war und gerade das Tragen einer
Reitkappe diese Unfallfolgen verhindert bzw.
verringert hätte. (Also auch hier kommt es immer
auf den Einzelfall und das entsprechende
Gutachten an. Wenn entschieden wird, dass die
Kopfverletzung mit Kappe geringer ausgefallen
wäre, muss die Versicherung nicht in vollem
Umfang zahlen.)
Daraus ergibt sich:
Wer sein Pferd jemand anderem zur Verfügung
stellt, sollte den Fremdreiter darauf aufmerksam
machen, dass die Haftpfl icht des Pferdes u.U.
nicht zahlt, wenn er keine Kappe trägt. Und
jeder Reiter sollte eine Unfallversicherung für
sich selbst abschließen, um besser abgesichert
zu sein.
Bei einem Unfall zahlt immer zuerst die Krankenversicherung
die Behandlung. Bei Sportunfällen
versucht dann die Krankversicherung häufi g,
ihre Auslagen von einer Unfallversicherung, einer
Pferdehaftpfl icht, der Schulpferdehaftpfl icht
oder dem Reitlehrer zurück zu bekommen.
Gerade die Reitlehrer tragen natürlich die Verantwortung
für ihre Schüler. Deshalb sollte ein
Reitlehrer unbedingt darauf bestehen, dass seine
Schüler einen Reithelm tragen. Ansonsten
kann er bei einem Unfall u.U. selber zur Kasse
gebeten werden, was durchaus seine Existenz
bedrohen kann.
Alle übrigen Reiter müssen sich der Konsequenzen
bewusst sein, wenn sie ohne Reithelm reiten.
Ich gebe zu, bei meinen Kindern habe ich
auf das Tragen eines Helmes bestanden, auch
meine Lehrlinge sollten das tun, besonders
wenn sie Jungpferde zureiten. Aber ich selber
reite seit Jahren ohne. Und meine Töchter setzen
heute auch meist keinen Reithelm mehr auf,
außer z.B. beim Springen oder bei der Arbeit mit
jungen oder problematischen Pferden. Wobei
natürlich alle Recht haben, die da sagen, dass
man immer und überall einen Unfall erleiden
kann.
Der Westernhut gehört zu unserer Identität.
Wir sind ein freies Land und jeder sollte für
sich entscheiden dürfen. Wir sollten aber
auch respektieren, wenn sich jemand mit
einem Reithelm wohler fühlt – das ist sein
gutes Recht und sicher auch vernünftig.
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