wittelsbuerger.com - Europas erste Adresse für den Westernreitsport
Gehören reituntaugliche Pferde in die Zucht?:
Erbliche Dispositionen für Krankheiten
wittelsbuerger.info
Wissen
Besucher online
Unsere Foren: Informieren Sie sich und diskutieren Sie mit!
Wissen
 
Navigation
zurück
 
Diese Seite ausdrucken
Diese Seite
zu den Favoriten
Diese Seite
als Startseite
 
 
Kontakt & Feedback
Kontakt &
Feedback


Sitemap & Suchfunktion
Sitemap &
Suchfunktion


International Visitors
International
Visitors


zur Startseite

zurück zur
Startseite


 

Wenn Freizeit- oder Turnierpferde aufgrund einer Verletzung oder Krankheit unreitbar werden, liegt bei Stuten und Hengsten der Wunsch nahe, das Tier zur Zucht einzusetzen. Damit kann das Pferd weiter genutzt werden und erwirbt sich damit eine Daseinsberechtigung. Doch ist es immer sinnvoll, mit reituntauglichen Pferden zu züchten?

Auf dem Pferdemarkt erzielen Stuten und Hengste meist höhere Preise als Wallache. Obwohl sich der Wallach als „besseres Reitpferd“ darstellt, weil ihm das Interesse am anderen Geschlecht fehlt, und er somit unterm Sattel in der Regel besser zu händeln ist, entscheiden sich viele Pferdefreunde dennoch für eine Stute oder einen Hengst als Reitpferd. Schon bei der Kaufentscheidung wird dabei oft der Gedanke im Hinterkopf getragen, dass das Pferd – auch nach einer möglichen nicht therapierbaren Verletzung oder Erkrankung – in der Zucht eingesetzt werden kann. Denn was tut man mit einem Wallach, den man weder reiten, noch anderweitig nutzen kann? Nicht wenige Pferdebesitzer denken wirtschaftlich, so dass einem vermeintlich nutzlosen Pferd der Weg zum Schlachter nicht erspart bleibt. Da der Pferdefreund häufig aber auch emotional mit seinem Pferd stark verbunden ist, möchte er eine derart ausweglose Situation vermeiden und entscheidet sich deshalb schon beim Kauf für ein fortpflanzungsfähiges Pferd. Eine Stute kann dann im Krankheitsfall immer noch ein Fohlen bringen und somit ihre Daseinsberechtigung erfüllen. Auch der Hengst kann dem Menschen als Zuchttier dienen und so sein Futtergeld verdienen.

Vom Sport in die Zucht

In der Praxis werden ausgediente Turnierpferde fast immer in der Zucht eingesetzt, wobei hier aber differenziert werden muss: Ein Zuchtpferd sollte seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, bevor es in der Zucht eingesetzt wird. Nur wenn das Tier auf Turnieren und Schauen vorgestellt wird, erhält es auch den Bekanntheitsgrad, den es benötigt, damit der Züchter die Nachkommen des Pferdes zu einem akzeptablen Preis absetzen kann oder – wenn es sich um einen Hengst handelt – dieser von Stutenbesitzern zum Decken gebucht wird. Somit ist der Turniereinsatz eines Pferdes, das für die Zucht vorgesehen ist, durchaus sinnvoll.

Die andere Seite der Medaille ist jedoch, dass Turnier-, aber auch Freizeitpferde zu Zuchtpferden umfunktioniert werden, wenn sie ihre Dienste als Reitpferde nicht mehr erfüllen können. Dieser Fall tritt dann ein, wenn sich ein Pferd so schwer verletzt oder erkrankt, dass eine Genesung und somit der Einsatz als Reitpferd nicht mehr zu erwarten ist. Dies betrifft sehr häufig degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates, aber auch andere Krankheiten und Verletzungen.

Der frühzeitige „Ausfall“ des Pferdes kann zum Einen aufgrund eines Unfalls geschehen, zum Anderen spielen nicht selten erbliche Dispositionen eine Rolle. Im erstgenannten Fall steht dem Einsatz als Zuchtpferd normalerweise nichts im Wege, wenn nicht die Belastung des Zuchteinsatzes (z.B. höheres Gewicht durch Austragen eines Fohlens) dagegen spricht. Ausgeschlossen sollte hier auch eine disponierte Strukturschwäche (von Knochen, Sehnen, Bändern etc.) sein, die zu der entsprechenden Verletzung und somit zum Ausfall des Pferdes geführt hat. Im zuletzt genannten Fall hingegen werden erbliche Dispositionen für Krankheiten munter der nächsten Generation weitergegeben.

Die Gesundheit hat oberste Priorität

Für den Pferdebesitzer und Züchter ist es allerdings nicht einfach zu entscheiden, ob erbliche Dispositionen zu Buche stehen, da die Vererblichkeit einer Erkrankung nicht immer bewiesen ist, sondern häufig nur einer Vermutung unterliegt. Wenn wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, werden degenerative Erkrankungen auch gerne mal verschwiegen, um aus dem Pferd noch Kapital zu schlagen. Somit kommen wissentlich oder unwissentlich Pferde in die Zucht, die möglicherweise unerwünschte Merkmale an die Nachzucht weitergeben.

Unglücklicherweise können sich schließlich Veranlagungen zu Erkrankungen fest im Erbgut verankern. Damit fährt die Zucht in eine Sackgasse, die niemandem dienlich ist. Die Verantwortung des Züchters ist deshalb sehr hoch, wenn er Elterntiere auswählt. Er muss die Gesundheit als wichtigstes Auswahlkriterium voranstellen, erst an zweiter Stelle darf die Leistungsfähigkeit stehen. Zwar können nur gesunde Pferde auch leistungsfähig sein, doch darf dies nicht nur für begrenzten Zeitraum (der Zeitspanne, in der Pferde auf Turnieren vorgestellt werden) gelten, sondern sollte ein Kriterium sein, das bis ins hohe Pferdealter gilt.

Sicherlich können junge Pferde Höchstleistungen erbringen. Nach vielleicht zwei Jahren Turniereinsatz gehen sie in die Zucht, doch wer kann beurteilen, wie lange das Pferd noch fit gewesen wäre, wenn es nicht vielleicht sogar schon aufgrund eines Schadens aus dem Sport genommen worden ist? Da können die Zuchtverbände viele Forderungen nach gesunden Pferden stellen; die Schwierigkeit besteht darin, zu beweisen, ob das jeweilige Pferd langfristig gesund gewesen wäre oder keiner erblichen Disposition für eine Erkrankung unterliegt, die erst später oder gar nicht bei diesem Pferd auftaucht, aber an die nächste Generation weitergegeben wird.

Diesem Problem werden Züchter immer gegenüber stehen. Doch bei Pferden, bei denen bereits eine Erkrankung ausgebrochen ist, eine vererbliche Disposition vermutet wird oder bewiesen ist, kann der Züchter handeln! Diese Pferde sollten rigoros aus der Zucht genommen beziehungsweise erst gar nicht eingesetzt werden. Schwierig ist die Entscheidung aber auch darüber, ob die Elterntiere von Pferden, die eine Erkrankung mit vermutlich erblicher Disposition aufweisen, ebenfalls aus der Zucht genommen werden sollen. Dabei kann meist nur vermutet werden, ob die Vererbung vom Vater oder der Mutter – vielleicht aber auch von beiden – erfolgt ist.

Und wie viele gesunde Nachkommen muss die Anpaarung haben, um die Tiere in der Zucht zu belassen?

Multifaktorielle Erkrankungen

Hinzu kommt, dass die meisten Erkrankungen als multifaktoriell gelten. Dies bedeutet, dass nicht nur die erbliche Komponente eine Rolle spielt, sondern ebenso auch Aufzucht, Fütterung, Haltung und Training des Pferdes. Als Beispiel steht hier die Podotrochlose (Hufrollenentzündung), bei der aufgrund einer familiären Anhäufung eine Erblichkeit dieser Erkrankung als sehr wahrscheinlich angenommen wird. Dennoch wird vermutet, dass weitere Einflussfaktoren das Entstehen der Hufrollenentzündung begünstigen. Stellungsfehler und zu kleine Hufe als erbliche Faktoren könnten so die Grundlage für die Krankheit sein. Da die Podotrochlose jedoch gehäuft bei Pferden auftritt, die reiterlich (insbesondere im Springsport) eingesetzt werden, spielt auch die (Ab-)Nutzung und das Training des Pferdes eine nicht unerhebliche Rolle bei der Entstehung der Erkrankung.

Ähnlich verhält es sich mit der Osteochondrosis dissecans (OCD), wobei sich aufgrund einer Zelldifferenzierung so genannte „Chips“ oder „Gelenkmäuse“ (abgelöste Knochen- oder Knorpelfragmente) bilden können, die dann frei im Gelenk schwimmen. Die freien Knochenoder Knorpelteilchen können zur Lahmheit führen oder sogar Gelenke zerstören, wenn sie sich in einen Gelenkspalt schieben. Man hat herausgefunden, dass auch OCD bzw. die Bildung von Chips eine multifaktorielle Erkrankung ist, aber eine erbliche Veranlagung gegeben ist. Vor allem spielt hier auch das Management der Aufzuchtphase eine große Rolle.

Bei der Arthrose der kleinen Sprunggelenke, unter Pferdeleuten als Spat bekannt, wird die Erblichkeit von Vielen bestritten, dennoch kann eine erbliche Veranlagung in Erwägung gezogen werden. Dies gilt ebenso für alle anderen Arthroseformen. Frühzeitiger Gelenkverschleiß hat immer auch mit der Aufzucht und dem Einsatz des Pferdes zu tun. Selbstverständlich muss aber auch das Exterieur (die Relation von Größe und Gewicht) sowie die Gelenkstellung als Grundlage für eine Vererblichkeit mit einbezogen werden.

Selbst das als „Untugend“ verharmloste Koppen gehört zu den multifaktoriellen Verhaltensproblemen, bei denen eine Erblichkeit vermutet wird. Dieser Verdacht wurde dadurch bekräftigt, dass koppende Pferde in bestimmten Blutlinien gehäuft auftraten. Zu bedenken ist aber auch, dass Langeweile, mangelnder Sozialkontakt und Überstimulation als Auslöser für das Koppen eine Rolle spielen.

Eine Disposition zur Erblichkeit scheint auch bei der chronischen Bronchitis gesichert. Die Erkrankung – auch als Dämpfigkeit bekannt – ist durch Leistungsminderung, Husten und Sekretproduktion in den tiefen Atemwegen gekennzeichnet und gilt als unheilbar. Da bei gleichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen einige Pferde krankhaft reagierten, während andere gesund blieben, wird von einer Anfälligkeit für dieser Erkrankung ausgegangen, die von Generation zu Generation weitergegeben wird – also erblich ist.

Ebenfalls eine vererbbare Disposition wird beim Sommerekzem als nahezu gesichert angenommen. Dennoch ist die Erblichkeit noch nicht bewiesen. Auch die Haltungsbedingungen spielen beim Ausbruch der Erkrankung eine Rolle. Da jedoch bei gleicher Haltung nicht alle Pferde, sondern nur einzelne Tiere erkranken, liegt die erbliche Disposition auf der Hand.

Reine Erbkrankheiten sind selten geworden

Weitere Erkrankungen, für die eine erbliche Disposition vermutet wird oder als gesichert gilt, sind unter anderem: Idiopathische Hemiplegia laryngis (IHL) – besser bekannt als „Kehlkopfpfeifen“ –, Nabelbruch, Equine Degenerative Myeloencephalopathie (EDM) und wahrscheinlich auch das Wobbler Syndrom (wobei es durch die Einengung des Spinalkanals zur Rückenmarkskompression und somit zur Ataxie kommen kann).

Neben den Erkrankungen, bei denen eine erbliche Disposition lediglich vermutet werden kann oder als höchst wahrscheinlich angenommen wird, gibt es auch Erkrankungen, deren Erblichkeit bewiesen ist. Diese Erkrankungen sind selten geworden, da Pferde mit diesen Defekten von der Zucht ausgeschlossen sind. Man kann die Träger der meisten Erbkrankheiten mittlerweile mit Gentests ausfindig machen, so dass diese Pferde erst gar nicht in der Zucht eingesetzt werden, auch wenn die Krankheit bei diesem Pferd nicht oder noch nicht ausgebrochen ist.

Zu den gesicherten Erbkrankheiten gehören die hyperkaliämische periodische Paralyse (HYPP), Reccurent Exertional Rhabdomylosis (RER), Polysaccaride Storage Myopathy (PSSM), Equine Maligne Hyperthermie (EMH), Severe combined immunodeficiency (SCID), Overo lethal white syndrome (OLWS), Glycogen branching enzyme deficiency (GBED), Junctional epidermolysis bullosa (JEB) und Hereditary equine regional dermal asthenia (HERDA).

So lange jedoch Pferde in der Zucht eingesetzt werden, die offensichtlich Erkrankungen aufweisen, bei denen auch nur der Verdacht auf eine erbliche Disposition besteht, wird langfristig auch die Leistungsfähigkeit der Pferde darunter leiden – schließlich ist die Leistungsfähigkeit unmittelbar von der Gesundheit abhängig. Deshalb kann nur an die Vernunft der Züchter (dies gilt natürlich auch für Hobbyzüchter, die womöglich nur ein Fohlen aus ihrer eigenen Stute ziehen wollen) appelliert werden, die Auswahl der Elterntiere sorgsam zu treffen und die Gesundheit an die erste Stelle zu setzen. Das bedeutet letztendlich den kompromisslosen Ausschluss von Pferden aus der Zucht, wenn auch nur der kleinste Verdacht auf eine Vererblichkeit von Krankheiten oder deren Disposition besteht.

Der Weg muss wieder dahin gehen, dass man sich auch an Pferden erfreut, die womöglich aufgrund einer erblichen Disposition, Erkrankung oder Verletzung weder in der Zucht eingesetzt noch unter dem Sattel gearbeitet werden können, und somit nur auf der Wiese stehen.


 



Quelle:
Renate Ettl für westernreiter (EWU)


Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter,

z.B. Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht.
Zum wittelsbuerger.com-Expertenforum gelangen Sie hier.

Quellewesternreiter

Weitere Artikel zu diesem ThemaWas meinen Sie dazu?
Mehr Informationen rund ums PferdewissenReden Sie mit in unserem Diskussionsforum
  
Sie wollen mehr zum Thema wissen? Hier finden Sie
Informationen zum VerbandInformationen zur RasseInformationen zum Westernreiten

Drei unserer Auktionsangebote rund ums Westernreiten

 



Impressum© by wittelsbuerger.com / Disclaimer