Jenseits
von Marlboro Country: Mit Vollbremsung zum Sieg
Er avancierte
mit drei Titeln zum Star der Deutschen Meisterschaften der Westernreiter,
und das nächste Großereignis hat Henning Daude schon fest im Visier:
Kommende Woche will der 34-Jährige aus Großmoor auch auf der Europameisterschaft
in Italien mit seinem Ausnahmepferd „Pines Advocate” eine spektakuläre
Darbietung abliefern.
Eins vorweg: Wer glaubt,
dass Henning Daude den ganzen Tag lang Country-Musik hört, lässig mit
den Sporen klappert und abends am prasselnden Lagerfeuer genüsslich
an seiner Marlboro zieht, der irrt gewaltig. Und nicht nur, weil der
Pferdewirt aus Großmoor eine andere Zigaretten-Marke bevorzugt. „Natürlich
gehören einige Cowboy-Attribute einfach zum Westernreiten dazu. Aber
mein Lebensinhalt ist die Arbeit mit Pferden, nicht irgendeine Wildwest-Romantik.“
Ziemlich allergisch reagiert der Pferdefachmann auch auf die so genannte
„Pferdeflüsterer“-Manie, die kürzlich mitsamt Büchern, Kinofilmen und
Shows nach Deutschland schwappte. „Die Erkenntnis, dass Pferde einen
Kopf zum mitdenken haben, ist doch nicht neu. Gute Leute haben sich
auch schon vor Monty Roberts um die Psyche der Tiere gekümmert.“
Bei Turnieren kommt der 34-Jährige aber nicht um das klischeebeladene
Auftreten herum: Cowboyhut, Westernstiefel und ein langärmliges Hemd
sind Pflicht beim Westernreiten. „So ein Show-Outfit kostet locker bis
zu 1000 Euro“, schätzt Daude. Ohne Hut. Für den kann gut und gerne nochmal
der gleiche Betrag hingeblättert werden. Ein ausgebildetes „Reining“-Pferd
kostet zwischen 15000 und 20000 Euro.
Mit seiner Art zu Reiten hat Henning Daude, der seit 15 Jahren hauptberuflich
mit Pferden arbeitet und seit Februar den Kastanienhof in Großmoor gepachtet
hat, großen Erfolg. Bei den German Open, die am vorletzten Sonntag in
Mannheim zu Ende gingen, holte Daude gleich drei deutsche Meistertitel
und wurde erfolgreichster Reiter. Unter anderem siegte er mit seinem
achtjährigen Quarterhorse „Pines Advocate“ in der „Königsdisziplin“,
dem „Reining“ (rein = engl. Zügel). Bei dieser „Dressur der Westernreiter“
werden dem Pferd rasante Manöver wie „Spins“ (schnelle 360-Grad-Drehungen),
„Roll-Backs“ (180-Grad-Drehungen auf der Hinterhand) oder die spektakulären
„Sliding Stops“ (gleitende Vollbremsung auf der Hinterhand aus vollem
Galopp) abverlangt.
Speziell diese perfekt vollführten Vollbremsungen brachten Daude schließlich
den Sieg. Auch weil er locker an die Sache heranging: „Manche haben
ihre Pferde bei der Hitze eine Stunde lang eingeritten, wir haben uns
zehn Minuten warm gemacht. Ich vertraue meinen Pferden, das hat sich
ausgezahlt.“
Stimmt: Denn mit Nachwuchspferd „Dirty Beau Zippo“ siegte Daude auch
beim „Junior Pleasure“, bei der das Aussehen und die Darbietung des
Pferdes bewertet werden, und in der „Senior Pleasure“ der älteren Pferde
überzeugte der Berufsreiter die Jury auf „Okie Sanolena“ ebenfalls und
holte sein drittes Gold. Beeindruckend: Den Titel in der „Senior Pleasure“
sicherte sich Daude zum dritten Mal in Serie.
Doch auf seinem Erfolg ausruhen will sich Daude nicht. Schon nächste
Woche geht es nach Italien zur Europameisterschaft. Bei der ersten vom
Internationalen Reiter-Dachverband FEI anerkannte Western-EM „Reining“
in Reggio Emilia (bei Mailand) ist er einer von sechs ausgewählten Reitern,
die die deutschen Farben vertreten werden. Antreten wird er wieder mit
Ausnahmepferd „Pines Advocate“. Noch steht das Quarterhorse auf dem
Kastanienhof und vergnügt sich mit seinen Artgenossen auf der Weide.
Aber spätestens wenn Daude sich wieder als Cowboy „verkleidet“ und das
„Reining“ beginnt, ist der Rappe hellwach, ist sich Daude sicher. „Daheim
wirkt er bisweilen ein wenig lustlos, aber wenn es ernst wird, gibt
er immer alles.“